Biographie | Hohenems | Hanno Loewy

Biographie | Alt Ems , Hohenems | 2017

Verehrte Anwesende, liebe Hohenemser, lieber Marbod, liebes Paar,

dieser Schlossberg lässt niemanden kalt. Er steht über der Stadt wie eine Mahnung, man kann ihn, und darin ähnelt er der Stadt, die er überragt, nur hassen oder lieben oder beides.

Er droht und er lädt ein, er gibt und er nimmt.

Wie so viele gehen auch meine Frau und ich mindestens einmal in der Woche den Zickzackweg hinauf, von der einen, oder der anderen Seite. Und wie so vielen fängt uns das Herz an zu pochen. Meistens schon bevor es anstrengend wird.

Herzschläge kann man spüren, am Weg hinauf können sie spitzig werden, stechen. Aber auch wenn man an den Schlossberg denkt, kann man Herzklopfen bekommen.

Vor mehr als hundert Jahren verbreitete eine Zeitung in Wien in bösem Spaß die Mär, der kolossale Fels habe die Stadt unter sich begraben ... und löste unter einigen Hohenemsern in Wien Panik aus. Vor 70 Jahren bewiesen ein paar junge Burschen aus dem Ort ihren Mut damit, ein Hakenkreuz an die Felswand zu malen. Als ich im heißen August 2003 zu meinem ersten Bewerbungsgespräch nach Hohenems kam, schaute ich zum ersten mal bewusst hinauf auf den Felsen über dem Hotel am Schlossplatz in dem ich wohnte. Und ahnte, dass sich mein Leben, das meiner Frau, das unserer Tochter Paula möglicherweise in diesem Sommer verändern würde.

Herzklopfen kann verschiedene Gründe haben. Und einander auf das Herz zu horchen, auf seinen Rhythmus, seine Schläge, sein Stechen und seine spitzigen Aussetzer, macht aus zwei Menschen ein Paar. Nicht immer ist dieses Herzklopfen synchron, aus der Verschiebung der Rhythmen entsteht die Spannung eines gemeinsamen Lebens, das was aus zwei Leben ein gemeinsames Leben macht. Und gegenseitig auf den Herzschlag achtend, können sogar zwei Paare Freunde werden. Das ist uns so gegangen, als wir uns in Hohenems niedergelassen, und die zwei wunderbarsten Menschen kennengelernt haben, die man sich denken, nein, die man sich eben nicht denken kann. Wir jedenfalls nicht, die wir keine Menschen mit der Kraft des Wortes ins Leben rufen können.

Die eine beglückt uns immer wieder mit ihren Parabeln auf die kleinen Dramen des Alltags, die das Leben in Hohenems, in Vorarlberg, oder auch in Wien ausmachen, mit einem Vergrößerungsglas für die Details, die wir sonst übersehen hätten und die doch erst die Welt bedeuten. Der andere greift gerne auch ins Große aus und macht es so klein, dass wir es betrachten können, wie unser eigenes Leben. Und träumt dabei von einer Hohenemser Ringparabel. Davon, dass dieses Städtchen, das zugleich die ganze große Welt in sich birgt, etwas dazu beitragen würde, dass all die Verschiedenheiten und Spannungen die wir spüren Respekt erfahren, gelebt werden könnten.

Nun ist auf den Schlossberg eine Ringparabel hinaufgewandert. Aufgesprengt, erregt, uns von verschiedenen Seiten mal abgerundet, mal aufgerissen den Blick öffnend. Rahmung unserer Sehnsucht nach dem fernen See und der nahen Stadt, der Weite und der Enge, Fassung zweier Leben, zweier Biographien, im Rhythmus ihrer Herzschläge. Eine Falle, in die man tappen kann, und sich darüber freut.

Vielleicht ist dieser Schlossberg, dieser Medizinberg, wie ihn Eure Tochter genannt hat, der richtige, schmerzende, beglückende, verstörende Ort für solche Ringparabeln.

Der Schlossberg wird sich nie ganz in die Karten schauen lassen. Er ist der erratische Block dieser Stadt, er wird uns, dem Rheintal, der Welt noch viele Rätsel aufgeben. Und er wird auch weiter Glück und Schmerzen bereiten.

Euch beiden mag ich heute einfach nur dafür danken, dass es Euch gibt.

 

Marbod Fritsch möchte ich dafür danken, uns hier oben mit seiner atemberaubenden Ringparabel all dies und noch viel mehr erahnen zu lassen. Dieter Heidegger und allen die es uns ermöglichen heute hier oben zu stehen möchte ich dafür danken, den magischen Berg jedes Jahr neu entdecken zu dürfen. Der Rest ist Schauen und Reden und Schweigen. Und Schreiben.