For Your Eyes Only / Hans Platzgumer

For Your Eyes Only

TEXT ZU MARBOD FRITSCH

Als mich Marbod Fritsch fragte, ob ich zu seiner Ausstellungseröffnung einen Text beitragen will, war ich zuerst zurückhaltend. Durch meinen Kopf schwirren so viele Textblöcke gleichzeitig, dass ich behutsam sein muss, nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen. Auch befindet sich Marbod, wie jeder gute Künstler, ständig auf der Suche, er redefiniert sich immer wieder neu, weil er weiß, dass die Stagnation dem künstlerischen Tod gleichkommt, also realisiert er verschiedenste Projekte und produziert eine Vielzahl unterschiedlicher Objekte, von denen mir manche mehr, manche weniger sagen.

Dann hieß es Zeichnungen, und ich wurde hellhörig. Ich näherte mich diesen Bildern zuerst über Marbods Website an – wie das, von digitaler Bequemlichkeit verführt, heute selbst jener macht, der meint, der um sich greifenden digitalen Demenz noch zu trotzen. Und was ich auf dem Computer zu sehen bekam, betörte mich gleich auf den ersten Blick. Ich wusste: die Magie dieser Arbeiten wird mich nicht mehr loslassen, im Gegenteil, sie kann sich nur verdichten, sobald ich den Bildern in der Wirklichkeit begegnen werde. So kam es auch. Ein paar Wochen später stand ich in Marbods Atelier vor den Originalen und konnte trotz aller hochgefassten Erwartungen kaum fassen, welch veritabler Kosmos diese formvollendete Schönheit, die ich schon im reproduzierten JPG begriffen hatte, in der Realität war. Ich wurde eingeladen, in ihn einzutauchen - gleich wie sie, liebe Besucher, in in dieser Austellung nun dazu eingeladen werden. Es gab kein Entkommen mehr.

Mit feinen und mit groben Strichen eines Kugelschreibers, teils penibel konzipiert und konstruiert , teils den Eingriff des Schicksals, des Zufalls bereitwillig annehmend, hat hier ein Künstler zu einer höchst virtuosen und gleichzeitig ganz unprätentiösen Vollendung seines eigenen, ganz bei sich und seinem Werk angekommenen ästhetischen Ausdrucks gefunden. Vor was ich stand und vor was Sie, meine Damen und Herren, heute stehen, sind nichts anderes als in hohem Maße organische Welten, die die Natur, als deren Teil ich unsere Spezies noch immer begreife, künstlerisch refelektieren und zeitgleich ihre Reflektionen zurücksenden in unser Bewusstsein. Einer Kettenreaktion gleich beflügeln diese abstrakten Kunstwerke unser Verständnis von der Welt, in der wir leben und die trotz aller Dekadenz und Virtualität noch immer unser Zuhause ist. Nachdem ich mich mit Marbods Bildern auseinandergesetzt hatte – ja nichts anderes tun hatte können, als mich hoffnungslos von ihnen gefangen nehmen und manipulieren zu lassen – , kaum hatte ich sie einmal erblickt, erkannte ich diese Strichkompositionen bald in jeder beliebigen Blüte am Straßenrand wieder, in jeder Wolke, in jeder Dunkelheit und jedem Lichtfluss, auf den ich den Blick richtete. Abbild der Sonnen und der Meerestiefen waren mir Marbods Zeichnungen geworden, finstere Schluchten und lichtdurchflutete Bergplateaus, symmetrisch und asymmetrisch, geometrisch und antigeometrisch wie alle Materie, die wir begreifen und doch nicht begreifen. Ich war hineingezogen in eine Parallelwelt, die der herkömmlichen Welt gerade so weit ähnelte, dass es mir, als Teil einer einfältigen Spezies, gestattet war, ihre Gestaltenpracht zumindest rudimentär zu verstehen, und fortan wusste ich, dass diese zweite, diese Ersatzwelt, die ich nun einmal hatte schauen dürfen, existiert. Dem experimentellen physikalischen Modell eines Multiversums (also der parallelen Existenz unzähliger nebeneinander und ineinander verschachtelter Universen) folgend, ist dieses Wissen gerade heute, wo die Welt, wie wir sie kannten, an allen Ecken zerbröckelt, ein überaus tröstlicher Gedanke. Gäbe es den Begriff des Neo-Romantizismus’ nicht schon längst (wie es alle erdenklichen Bezeichnungen mittlerweile längst zu geben scheint), so hätte Marbod Fritsch mit diesen Zeichnungen neu erschaffen, was für die Romantik das Sinnbild der Blauen Blume war. Strahlende Blaue Blumen sind seine großteils in matten verblichenen Farben gehalten Bilder. Sie weisen uns den Weg hinaus ins Unbekannte. Zur Projektionsfläche werden sie, zu Sehnsuchtsorten. Und bei allem angesammelten vermeintlichen Wissen, das uns Menschen bis dahin gebracht hat, wo wir uns heute befinden, ist weiterhin das Unwissen die konstruktivste Kraft, die uns vorantreibt. Im Gegensatz zur Habgier, unserem größten Widersacher, kann uns das offenherzige Unwissen wahrhafte (und eben auch fiktive) Räume erschaffen, in denen wir Zuflucht finden. Marbod Fritschs vorliegende Zeichnungen öffnen solche Zufluchtsorte. Sie trösten, indem sie eine Parallelität behaupten, in der die Komplexität der Wirklichkeit nicht ein Problem, sondern vielmehr einen Hoffnungsschimmer darstellt. Für mich zumindest verhält es sich so: die schmutzige Reinheit Marbods Bilder vermag es, den Weltschmerz zu lindern, der mich beizeiten und in scheint’s immer knapperen Abständen überkommt. Sie setzen in mir ein Fließen der Gedanken und Ideen frei, das sich in Analogie zu ihnen ebenfalls sämtlichen Form- und Kontextvorgaben entzieht und ein Wurmloch schlägt, das von dem harten Boden, auf dem wir stehen, hin zu einer weniger gegenständlichen Alternative unser Weltkonzeption führt. Ich empfehle, sich in diese Bilder hineinfallen zu lassen. Auf so mancher Biegung und Windung werden Sie den Weg und die Übersicht verlieren, doch dies beweist nur, dass Sie sich auf dem richtigen Weg befinden. Ein falling into it ist es, ein falling in love.

For your eyes only

Stehen wir vor einer Zeichnung Marbod Fritschs, stehen wir vor einem Loch in der Zeit. Weder die Vergangenheit, noch Zukunft, noch Gegenwart liegt vor uns, sondern alles zugleich, und alles nimmt vor unseren staunenden Augen eine Tiefe ein, die weder zwei- noch dreidimensional ist, sondern einfach unser bisheriges Raumverständnis verschluckt. Diese Zeichnungen sind so tief und so flach, wie weit wir es vermögen, in sie einzudringen, und so alt und so jung, wie wir es ihnen erlauben zu sein. Eine von den Dimensionen befreite Schönheit ist es, beauty in the eye of the beholder, schon Shakespeare und knapp zweitausend Jahre vor ihm die antiken griechischen Philosophen wussten, dass die Schönheit im Auge des Betrachters liegt – allen voran Platon, der als gebildeter Ästhet eine wahre Schönheit nur geometrischen Formen zusprach, da aller Wildwuchs, alles natürlich Wuchernde deren Reinheit zerstörte. Wie hätte Platon wohl reagiert, wäre er vor einer Zeichnung Marbod Fritschs gestanden? Durchaus Thema eines Romans könnte ein solches Aufeinandertreffen sein. Hätte Platon die geometrischen, in sich ausbalancierten Grundlagen von Marbods Werken erkannt oder wären sie in seinen Augen nur bis zur Unkenntlichkeit aus allen Ufern gelaufen?

Ich persönlich beharre darauf, dass jedes Kunstwerk einer jeden Kunstgattung nur durch einen bestimmten Anteil an Unperfektem und Unreinem auf ein wahrlich hohes Niveau gehievt werden kann. Nur der wohl dosierte Fehler bringt die Einzigartigkeit in ihm hervor. Schließlich sind wir, auch wenn wir uns in den letzten Jahrtausenden schon ein gutes Stück weit fort von Platon entfernt haben, immer noch Menschen, und so wie wir uns tagtäglich mit unserer Unperfektheit abfinden müssen, so erkennen wir auch nur in ihr eine Wahrhaftigkeit, die uns zu ergreifen und auszuhebeln vermag. Nur in ihr liegt die wahre Kraft der Kunst.

Und wie durch kleine oder größere Unperfektheiten etwas entsteht, das wir zwar vielleicht nicht begreifen oder beschreiben können, uns aber umso mehr in seinen Bann zieht, so fällt auch unser Blick und unser Empfinden, ohne dass wir uns darüber bewusst wären, in genau jene Löcher der Schönheit und lässt sie durch den Unterbruch umso heller erstrahlen. Wo immer auf Marbods Bildern unser Auge und unsere Sinne hängenbleiben, über diese kleine Unorte inmitten der Leinwand, diese Makel in der Makellosigkeit, kann das Gebilde, das vor uns entsteht, erst zu sich und zu uns kommen. Für jedes neue Auge, das auf es gerichtet wird, erfindet es seine Form aufs Neue. Nicht ein Bild hängt vor den Betrachtenden, sondern vor jedem einzelnen sein Bild. Wie in der Quantenmechanik Atome, die unserem starren Verständnis von Raum und Zeit entschlüpfen, erst dadurch lokalisiert werden, dass wir den mikroskopischen Blick auf sie richten, so verhält es sich mit Marbods Zeichnungen. Sie entstehen erst durch unsere Betrachtung. Stellen Sie ein Bild auf den Kopf oder drehen Sie es um 90 Grad in eine Richtung, und Sie werden ein gänzlich anderes Bild vor sich sehen. Und erneut eines, das sich von dem Ihres Nachbarn unterscheidet.

For your eyes only, only for you - You see what no one else can see

(Der Galerist würde es Ihnen freilich danken, wenn Sie dieses Experiment erst durchführen, nachdem Sie sich zum Kauf des Bildes entschieden haben.)

 

Marbod Fritsch hat Raum, Zeit und Formen aufgelöst, nun darf, muss, will es der Betrachtende nach eigenen Maßstäben für sich zusammensetzen. Mit abertausenden filigranen Linien, mit den dünnsten billigsten Kugelschreibern der Marke BIC auf die Leinwand aufgetragen, hat der Künstler diese perspektivischen Bildwelten erschaffen, nun zieht er deren Betrachter hinein in die Zeitfalle. Den Sirenen gleich verführt er, der Entführer, der er sich eines rasch einstellenden Stockholm-Syndroms mit uns Entführten sicher sein kann. In Folge führt er uns immer tiefer hinein in einen Ort, aus dem es kein Entkommen mehr gibt.

Wie nur benennen wir diesen Ort, diesen Tatort, an dem sich die Geiselhaft abspielt?

„Wie betitelst du deine Werke?“, frage ich Marbod, als ich in seinem Atelier neben ihm und vor einer seiner Zeichnungen stehe. Ich weiß, dass es nur eine vernünftige Antwort geben kann, nämlich keine. Ein Verbrecher, ein Dieb müsste sein, wer diesen Ort benennt, den der Künstler erschaffen hat, ein Narr, wer ihm einen Namen gibt und wagt, seine Gestalt für sich zu behaupten, jene Gestalt, deren sich der Künstler in jahrelanger Arbeit entledigt hat. Marbods Bilder sind namenlose Flächen, gebogen, gedehnt, verzerrt, mancherorts intakt geblieben, andererorts in ein Innen gehöhlt, Leinwandrutschen sind sie, die in etwas hineinführen, das vielleicht ein Loch ist, vielleicht eine Ansammlung von etwas, eine Kreuzung von Strichen, Wegen, Bahnen, Farben, vielleicht eine Schleuse, ein Übergang, Übertritt, Überfall. Sie überfallen unsere Sinne, stürzen sich darauf, mit mathematischer Genauigkeit leiten sie uns in die Ungenauigkeit hinein, die Kugelschreiberstreichungen, die mit Lineal auf die Leinwand gezogen sind. Sie sind die Architektur von Räumen, die, sobald sie erschaffen sind, sich auflösen, von der Dünne in die Dichte hinein entziehen sie sich dem Betrachter und sogartig ziehen sie ihn mit in das Ende der Dreidimensionalität.

„Zeichnungen?“ Ich wage eine zweite Frage. „Sind es nicht eher Aquarelle?“

Nun überzieht ein verschmitztes Lächeln Marbods Gesicht. Ich kenne ihn nicht gut, aber ich kenne dieses Lächeln und ich weiß es ganz und gar zu schätzen, denn es ist der Ausdruck einer Selbstironie. Aquarelle – etwas Uncooleres gibt es vielleicht nicht. Marbod versteht mein Anraten aber nicht als Beleidigung, sondern als Freibrief, als Freiheitsbestätigung. Er will nicht nur mit seinem Kugelschreiber Formen erschaffen, die frei von Vorbelastungen sind, er will auch sich selbst, mir, uns gestatten, in weitestgehend ungehemmter Freiheit zu reagieren. Er hat in seinen Bildern Universen erschaffen, Urknalle aus Strichen, Raster des Fremden. Nun lädt er uns ein, diese Gewüchse zu betrachten, zu bestaunen, sie zu erforschen, ohne uns dabei einzugrenzen. Leicht krumm, vielleicht noch kauziger als ich selbst es bin, steht er neben mir und lächelt verschmitzt. Und ich stehe immer aufrechter, immer weiter hin zur Decke gezogen in seinem Atelier wie in einem Observatorium. Supernovas sind um mich herum, Kugelschreiberriesen, Kugelschreiberzwerge, Schwarze Löcher und Tintengalaxien, Dispersionsstraßen und Lacklösernebel. Marbod Fritschs Kunst ist die Ästhetizierung der Chaostheorie: Jede Ordnung ist vergänglich, und das Chaos ist die Regel, nicht die Ausnahme.

 

Dass dem so ist, beweist der Produktionslauf dieser Bilder, wie ihn Marbod mir erklärt.

Zuerst ist die reine weiße Leinwand, die Leere, auf der sich bald das Drama entwickeln wird. In diese Bühne hinein beginnt der schmunzelnde Schöpfer in langwieriger Arbeit ein Koordinatensystem zu setzen und so den gedachten Raum zu etablieren, wie Physiker es tun, um den Ort eines Körper festlegen zu können. Doch während Wissenschaftler an dieser Stelle den Begriff der Zeit heranziehen, um die Geschehnisse im Raum fortan messen zu können, entzieht sich Marbod in einem nächsten Schritt sogleich der Berechenbarkeit dieses Raums. Er lässt den Raum, sobald er definiert ist, fallen. Er lässt den Kopf, sobald er sich eine Vorstellung von der Okkupation des Raums gemacht hat, fallen. Er macht den Weg nun frei für die Unplanbarkeit der natürlichen Evolution. Einerseits gibt er sich so dem verheerenden Scheitern preis, das in jeder ergebnisoffenen Hinwendung an Kunst steckt, andererseits ermöglicht er die Wege der Intuition, dieses Restbestands Natürlichkeit, der in unterschiedlichen Dosierungen im menschlichen Geist nach wie vor vorhanden ist. Während all dieser frei konstruktive oder auch destruktive Schaffensprozess in Gang kommt, währenddessen Marbod mit Kugelschreiber, Dispersionsfarbe und Lacklöser die Leinwand bearbeitet, folgt er wiederum einem altbekannten physikalischen Gesetz, dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, dem zufolge die Entropie, der Unordnungsfaktor eines Zustand stets nur zunehmen kann und ohne Einwirkung von Außen nicht rückführbar in die statistische Ordnung ist. Wir alle und alles, was wir kennen, drängen als physikalische Konstrukte unter äußerem Einfluss unentwegt in die Erhöhung unserer Entropie. Es ist die natürlichste Sache der Welt, von der Ordnung in die Unordnung zu streben, und in Marbods Bildern geschieht nichts anderes. Der einst penibel errichtete Raster ist bald in die Unkenntlichkeit verzerrt und erleidet das Schicksal eines jeden funktionierenden künstlerischen Konzepts: Er war als Ausgangspunkt eine Notwendigkeit, muss nach und nach aber über Bord geworfen werden. Bald herrschen andere Gesetze in Marbods Zeichnungen, jene der Unordnung und des Zufalls. Nun verrinnt die Farbe in unkalkulierbarer Weise, nun saugt das Papier an jener Stelle zuviel, an anderer zuwenig von ihr auf, nun dringt der zwanzigste Kugelschreiber, der der wochenlangen Entstehung des Bildes dienen muss, zu tief oder zu wenig tief in die Oberfläche ein, veritable Löcher entstehen, Risse, Unförmigkeiten. Der sprichwörtliche Flügelschlag eines Schmetterlings kann das Werk nun in die eine oder andere Richtung kippen lassen, bis es irgendwann entweder im Mülleimer landet, wieder und wieder überpinselt wird oder, im idealen Fall, vor den Augen des weiterhin schmunzelnden oder bereits verzweifelnden Künstlers eine Konstruktur entsteht mit all ihren Kontrasten, die seinem Empfinden genügen oder gar seine Erwartungen übersteigen. Dann steht er vor vollendetem Werk und lächelt, zufrieden, erleichtert, lächelt weder milde noch selbstgerecht, sondern tief und ehrlich, weil er nun mit sich und seinem Werk im Reinen ist und weiß, dass hier nicht weiter Hand anzulegen ist, ja dass es ein Frevel wäre, dies zu tun. Jetzt wieder kann er von loslassen von übertriebener Ernsthaftigkeit. Jetzt hat er die Freiheit und die Selbstverständlichkeit erlangt, eine Ausstellung, die er mit ebenjenen zur Vollendung gebrachten Bildern gestaltet, nach einem lapidaren Popsong zu benennen.

 

For your eyes only, only for you, singt Sheena Easton im Auftrage James Bonds süßlich und betörend. Zu wenig mag es sein für die große Kunst. Doch zugleich gibt es kein Zuwenig und kein Zuviel in dieser Ausstellung. Alles ist an seinem richtigen Platz, dafür hat Marbod Fritsch gesorgt, selbst Sheena Eastons Gesäusel, verlassen Sie sich darauf. Und am Ende ihres Refrains singt sie auch, worum es bei diesen Werken Marbod Fritschs in erster Linie geht: um das Freisetzen der Fantasie, nicht nur der des Kunstschaffenden, sondern vielmehr jener des Kunstbetrachtenden. Nur indem er seiner Fantasie ungezügelt freien Lauf gestattet, erarbeitet er sich Zugang zu Marbods Kunstwelten.

The fantasy you freed in me, singt Sheena Easton. Now I’m breaking free.

Und genau dies eröffnet und beschreibt die politische Dimension, die neben dem reinen Ästhetizismus in diesen Arbeiten Marbod Fritschs steckt. Fantasie zu beflügeln wäre heutzutage ja geradezu eine politische Notwendigkeit geworden, nur wagt es kaum einer mehr. In den ächzenden Zügen des Spätkapitalismus, der dabei ist, uns und all unsere Vorstellungskräfte aufzufressen und all die großartigen Hoffnungen, die wir einst in eine bessere Zukunft gelegt haben, aus unseren Köpfen zu fressen, in diesen grauen, von Pragmatismus, Verdrossenheit und Habgier gezeichneten Zeiten gibt es nichts Wichtigeres als Fenster, die uns den fantasievollen und gerne auch träumenden Ausblick in anders funktionierende Welten ermöglichen und uns zu neuem Denken stimulieren, uns anregen anstatt fortweg zu desillusionieren und uns einladen, neue, unbekannte Wege auzuprobieren, anstatt sie von vornherein als Hirngespinste abzutun. Genau solche Fenster bietet uns Marbod Fritsch mit seinen Zeichnungen. Er hält die Zeit für uns an und lädt uns ein, in die Fremde zu schauen. Nehmen wir seine Einladung an. You can see so much in me, so much in me that's new, scheinen seine Zeichnungen in Sheena Eastons Worten zu offerieren. New. Genau das ist, was wir heute mehr denn zu sehen versuchen müssen: Neues, Anderes, Unbekanntes. Gehen wir offenherzig gemeinsam auf diese Bilder zu und öffnen wir die Fenster. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei!

Hans Platzgumer, Lochau, 28.6.2016