Interview von Elmar Gangl, Volksblatt, Liechtenstein; 26.11.2018
„Wir haben eine Verantwortung, wie wir mit den Medien umgehen.“
Eine fröhliche wie auch eine erste Runde rund um US Präsident Trump am G7-Gipfel sind die Bildvorlagen für den 30 Meter langen Teppich, den Marbod Fritsch im Moment im Kunstraum Engländerbau ausstellt. Das „Volksblatt“ hat sich mit dem Vorarlberger Künstler in seiner Ausstellung getroffen.
«Volksblatt»: Herr Fritsch, Sie leben in Wien und Bregenz. Wo erhalten Sie mehr Einflüsse in Ihre künstlerischen Arbeiten?
Marbod Fritsch: Das kann ich so nicht sagen. Meine Einflüsse passieren gerade da wo ich bin, ortsunabhängig. Mittlerweile ist meine Lebens- und Arbeitssituation schon rund 30 Jahre so. In dieser langen Zeit der Beschäftigung entwickelt man auch seine eigene Formensprache. Dinge, die einem interessieren, sind automatisch naheliegender. Wo das dann in einen anderen Kontext gestellt wird oder wie ich es verwerte, das muss nicht Wien oder Bregenz sein. Eher ist das mit einer Tätigkeit zu verorten, z.B. beim Laufen, wo ich versuche meine Arbeit weiter zu entwickeln, da wälze ich Projekte, versuche die Arbeit von allen Seiten her zu betrachten. Das passiert aber auch, wenn ich einfach so zum Fenster rausschaue. Ich bin oft an mehreren Projekten gleichzeitig dran und da „hirnt“ man eh die ganze Zeit und überall. Aber an Wien gefällt mir, dass es anonym ist.
Wie sind Sie eigentlich zur Kunst gekommen?
Über Umwege eigentlich. Ich habe schon während der Schulzeit immer gerne gezeichnet. Das Selbstbewusstsein aber fehlte, das ernsthaft weiterzuverfolgen. Als es um ein Studium ging, dachte ich an Werbung, das ist kreativ und gleichzeitig kann man Geld damit verdienen. Ich habe es dann mit einem Wirtschaftsstudium verbunden. Aber das hat mir dann doch nicht so gepasst, ich wechselte in Richtung Jus – da gab es ja gute Beispiele, dass Anwälte gut leben davon und nebenher Kunst machen. Aber der Wunsch blieb, Kunst zu studieren. Beim ersten Anlauf wurde ich nicht mal zur Aufnahmeprüfung zugelassen. Ein Freund von mir hat dann fünf Jahre später auch ein Studium in die Richtung versucht und bei meinem zweiten Versuch wurde ich als einziger von 30 Bewerbern genommen – gegen den Wunsch meiner Eltern, die sich meinen beruflichen Werdegang natürlich anders vorgestellt haben. Aber ich habe schnell gemerkt, das ist meine Welt, da sind Leute im Studium, die so denken, arbeiten wie ich. Die biedere Welt der Anwälte war einfach nicht meins. Schon während des Studiums stellte ich aus, gewann Wettbewerbe, war – wie man so schön sagt – erfolgreich. Aber bis heute bin ich, was meine Arbeiten angeht, voller Unsicherheit, auch hier im Kunstraum. Funktioniert es oder nicht. Diese gewisse Anspannung brauche ich, das gehört dazu. Das ist mein Weg an der Grenze.
Gibt es eine liebste Disziplin in der Sie arbeiten?
Das hat sich entwickelt. Ich habe viel gezeichnet, und meine Professorin hat immer gemeint, das wäre doch ein schöner Teppich. Aber Teppiche mit meinen filigranen Zeichnungen umzusetzen, das war nicht mein Medium. Ich habe mich dann auch weiterentwickelt, das konzeptionelle entdeckt. Mir für bestimmte Räume etwas überlegt habe, das über die Zeichnung hinausging. Auch hier im Kunstraum: Das ist nicht der Einfluss der Tapisserie aus dem Studium, aber es hat sich angeboten, einen Teppich als Medium zu wählen. Da mag vielleicht doch die zweite Professorin mit hineinspielen, die die Installation ins Spiel meiner Arbeiten brachte.
Sie sind für eine Ausstellung in den Engländerbau eingeladen worden. Kannten Sie den Kunstraum davor?
Ja klar. Der Kunstraum ist schon eine Institution, die auch in Vorarlberg wahrgenommen wird. Es ist auch ein spannender Raum, ohne Fenster. Ähnlich wie der Kunstraum Hollenstein in Lustenau, wo ich vor ein paar Jahren eine Installation gemacht habe. Nur dass ich hier nun eine richtig grosse Arbeit umsetzen und zeigen kann. Spannend und eine Herausforderung.
Hier im Kunstraum ist ein Teppich zu sehen. Eine Arbeit speziell für den Kunstraum?
Die Grundidee vom Teppich war schon länger da. Meine Projekteingabe ist auch schon über eineinhalb Jahre her. Was ich dann für den Kunstraum entwickelt habe, sind diese Motive auf dem Teppich, nicht mehr so formalistisch streng wie anfangs der Projektphase. Das ist nun eine zusätzliche Ebene der Inhaltlichkeit. Wenn man schnell hinschaut, sind es Menschen. Wenn man das Ganze länger betrachtet, sieht man die Schrift, den Satz. Auch die abgebildeten Menschen – die gleiche Gruppe ist einmal streng schauend, in schwarz, und auf dem anderen Motiv fröhlich auf hellem Weiss. Das hier ist wirklich für den Kunstraum entstanden.
Wie sind Sie diese Arbeit angegangen? Da muss es doch eine Initialzündung geben ..
Ich war immer mit dem Kunstraum im Dialog. Ich probiere auch vieles aus. Wenn ich es dann daheim meiner Frau vorstelle und sie den Kopf schüttelt, mag ich im Moment „butzverruckt“ sein, aber letzten Endes hat sie meist Recht. Meine Auswahl der Bilder ist doch ein sehr aktuelles Thema. Mir kommt auch der Teppich mit einem arabischen Touch her. Und irgendwann hat es einfach gepasst.
Gibt die Arbeit dem Betrachter auch eine Aussage mit?
Ich finde, wir haben eine Verantwortung, wie wir mit den Medien umgehen. Und die Medien haben eine Verantwortung, was sie uns zusteuern. Das ist im Moment ein Problem, wenn ich die Medienlandschaft anschaue. Die diversen Gratisblätter, die irgendeine Meinung transportieren. Und die Politik, die provoziert, sie will gewisse Symbole und Meinungen verbreitet haben. Vor zehn Jahren hätte man sich an den Kopf gegriffen wie aktuell z.B. bei der Diskussion über den Migrationspakt, wo sich die Politiker komplett verdrehen. In der Ausstellung ist mir aber schon wichtig, dass der Teppich als ästhetische Erfahrung funktioniert. Und dann kommen die anderen Ebenen dazu, die kann man wie Schubladen auftun. Manche sagen, das ist ein toller Teppich. Andere entdecken die Schrift, diesen Satz von Godard. Ich beschreibe meine Wirklichkeit, jeder hat eine eigene und diese bestimmt auch jedem seine Realität.
Ein Blick in die Zukunft. Wohin führen Sie die nächsten Projekte?
Auf das freue ich mich, denn ich setze einen Kunst am Bau-Wettbewerb an einer Landwirtschaftsschule um. Meine Idee ist, mit Kernaussagen von Schülern über ihr Leben zu arbeiten. Die Biografie „Aus meinem Leben“ von Franz Michel Felder, einem Vorarlberger Nationalpoet, Politiker und eine der wichtigsten Personen Vorarlberger der Geschichte, war mein Ausgangspunkt. Ich wandelte das in „Aus ihrem Leben“ um und schlussendlich werden abwechselnd Aussagen mit einem programmierten Mähroboter in den grünen Rasen im Innenhof geschrieben. Ich habe behauptet, dass ich das hinkriege – jetzt muss ich es beweisen.