Patrick Fürnschuß zur Arbeit REMAIN IN LIGHT
REMAIN IN LIGHT – 2019-08-30 / Eröffnende Worte zur Kunstinstallation des Vorarlberger Künstlers Marbod Fritsch in der Johanniterkirche in Feldkirch
Lieber Arno, lieber Marbod, geschätzte Anwesende! Willkommen im Feldkircher Abendlicht zur Ausstellung REMAIN IN LIGHT, der dritten Jahresausstellung der Johanniterkirche.
An Grenzen zu gehen, Grenzen in Frage zu stellen, sie zu erweitern und möglicher Weise auch zu überschreiten wird bedeutender Kunst nicht nur zugestanden, das wird von ihr erwartet. Das Werk eines Künstlers steht und fällt und wirkt immer in seinem Kontext. Wie sein Schöpfer ist es Kind seiner Zeit und entfaltet sich in seiner Bedeutung unter den ganz spezifischen Bedingungen von Raum und Zeit und den Menschen, die sich damit auseinandersetzen. (Und den jeweiligen Grenzen von Raum, Zeit und den Menschen.)
In diesem Bewusstsein hat sich Marbod Fritsch an die Konzeption seiner heute zu eröffnenden Kunstinstallation gemacht. Unter den spezifischen Bedingungen eines ganz besonderen Raumes und einer die Menschheit herausfordernden Zeit.
Einer Zeit, in der aufgrund von unterschiedlichem Glauben wieder verfolgt und getötet wird. Einer Zeit, in der Algorithmen mehr vertraut wird als den Menschen, die sie programmieren; in der Nationalismus und Populismus als vereinfachende Heilsversprechen wieder neu aufleben und schwer errungene Rechtswirklichkeiten wie Demokratie, Völker- und Menschenrechte, Inklusion und Teilhabe in Frage gestellt werden. Auch von Mitgliedern einer österreichischen Regierung, den gewählten Repräsentanten des Volkes.
Einer Zeit, in der speed killt. In der Erschöpfungsdepressionen, Medikamentenkonsum und Suchtverhalten überproportional steigen und die Gesellschaft fragmentieren. Menschen kommen nicht mehr mit, fallen aus dem Rahmen oder nehmen sich aus dem Spiel.
Einer Zeit in der alle vernetzt sind, aber immer weniger Menschen sich verbunden oder gar geborgen fühlen. Einer Zeit in der die negative Dsytopie der ermutigenden Utopie den Rang und die Narrativhoheit abgelaufen hat. Es ist eine krisenhafte, viele Menschen beängstigende und irgendwie dunkle Zeit. Was dem hinzu oder entgegen stellen?
Marbod Fritsch hat in seiner Auseinandersetzung mit dem Ausstellungsort der Johanniterkirche, mit diesem geschichtsreichen, mystischen und gleichzeitig nach Ausgrabungen und anderer Verzweckung und Vernutzung auch verletzten Sakralraum eine Antwort gefunden: REMAIN IN LIGHT. Bleibe im Licht. Schon einmal wurden diese programmatischen Worte formuliert. In den frühen 80er-Jahren haben die Talking Heads ihr damals revolutionäres, von intensivsten Rhythmen und Lebendigkeit geprägtes viertes Album so benannt. REMAIN IN LIGHT. Bleibe im Licht. Welches Licht ist gemeint? Das von den ersten Hochkulturen und von nahezu allen Weltreligionen zitierte göttliche Licht? Passend zur sakralen Geschichte der Johanniterkirche, deren Namensgeber Johannes der Täufer – hier sichtbar auf dem Fresko von Florus Scheel – einst einen gewissen Jesus von Nazareth taufte, der sich selbst das Licht der Welt nannte? Johannes der Täufer, der jüdische Bußprediger, der nicht nur im Christentum, sondern auch im Judentum und im Islam verehrt wird, und in dessen Namen sich die heute noch aktive Religionsgemeinschaft der Mandäer begründete. Oder ist das siècle des lumières, das Jahrhundert des Lichts, also die von Frankkreich ausgehende Aufklärung gemeint? Eine Zeit, in der das Licht umgedeutet wurde, es nicht mehr von Gott und der Kirche sondern nunmehr vom Menschen und seiner Erkenntnisfähigkeit, seiner Vernunft ausgeht? Eine Zeit, in der auch die Johanniterkirche säkularisiert und erst als Salzmagazin und in der Folge als Gymnasialkirche im Dienste der Vernunft genutzt wird. - Welches Licht ist gemeint?
Nun, Marbod Fritsch legt sich in seinem Werk nicht fest. Im sichtbaren Kern der Arbeit nimmt er mit einem, mitten im Bauchraum der Kirche schwebenden goldenen Ring in einer künstlerischen Übersetzung der Ringparabel von Gotthold Ephraim Lessing Bezug zum Licht der Aufklärung; gleichzeitig verweisen in anweisender Form bereit gestellte, auf dem Ring zu platzierende Kerzenlichter auf Religion, Glauben und Ritual. Kein Gegensatz oder Widerspruch, sondern im Gegenteil eine sich ergänzende , gemeinsam strahlende Einheit. So sie denn belebt wird. Denn erleuchtet werden Kerzen und Ring erst durch die Handlung des Menschen. Es sind die Menschen, die sich in die Mystik des Raumes erst einlassen müssen. Die vergleichbar mit einem psychotherapeutischen Prozess erst innehalten müssen um sich berühren zu lassen und damit mit sich selbst in Berührung zu kommen. Sich so ihrer selbst und ihrer Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten bewusst werden. Es ist dieser lichte Innenraum im Menschen, wo Heilung im Sinne von heil und ganz werden erlebt bzw. erahnt werden kann, wo achtsam Freiheit und Verantwortung entspringen können. Ein Kunstgriff von Fritsch: Der Mensch ist es, der das Licht in die Welt bringen kann und – egal wie er entscheidet – der mit seiner Präsenz, mit seinem Handeln oder Nicht-Handeln zum Werk beiträgt bzw. sich damit verbindet.
REMAIN IN LIGHT könnte man also verstehen als ein im Kontakt bleiben mit dem eigenen Sein, der eigenen Wahrheit, dem eigenen Licht und mit der Verantwortung im „fühlenden Erkennen“ das eigene Licht in die Welt zu bringen. Dass der Mensch dabei im Licht bleiben und nicht erst ins Licht kommen muss, lässt auf ein optimistisches, zuversichtliches Menschenbild des Künstlers schließen. Alles ist schon da, gerade auch das Licht in uns. Das Licht, das erhellt, das verbindet, neue Perspektiven und Hoffnung erschließt. Unsere Aufgabe ist es darauf zu vertrauen und uns dahin zu verbinden. Bewusst im Licht zu bleiben und es in die mancherorts dunkle Welt zu bringen.
Den Anfang haben heute bereits mehrere Glaubensgemeinschaften gemacht, die seit 18 Uhr in einer gemeinsamen sechsstündigen Performance über das Entzünden von Kerzenlichtern das Verbindende vor dem Trennenden ins Licht rücken. Diese Performance wird zum Abschluss der Installation am 26. Oktober wiederholt. In der Zwischenzeit wird REMAIN IN LIGHT über den gesamten Ausstellungszeitraum den Besucherinnen und Besucher der Johanniterkirche überlassen werden. Also genügend Zeit sich an diesem besonderen Ort mit Marbods heilsamer Arbeit zu verbinden. In bewusster Gegenwärtigkeit die Zeitlosigkeit des Seins, meines und des ewigen Seins, zu entdecken.
Licht ist Leben und wirft selbst keinen Schatten. Erst wenn man aus ihm heraustritt, aus der Einheit in die Entzweiung, erst wenn man dem Licht entgegentritt entsteht Schatten. Also: REMAIN IN LIGHT.
Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit und wünsche allen noch berührende Begegnungen im Innen und Außen und natürlich im Licht. Dir, Marbod, gratuliere ich zu deiner Arbeit, der ich ganz viel Resonanz wünsche und zutraue. Alles Liebe und Gute!
Patrick Fürnschuß
Lustenau, 30. August 2019